Menschen, die hierher fliehen, handeln in existentieller Not: Sie fliehen vor Bedrohung durch Krieg, politischer Verfolgung oder vor Umweltzerstörung – die Gründe ergänzen sich. Oft ist auch die Flucht selbst mit großer Bedrohung verbunden. Und schließlich entscheiden auch die Bedingungen der Ankunft über das Risiko psychisch zu erkranken. Erinnern wir uns noch, dass auch Deutsche flohen, dass auch Deutschland im Krieg war? Die erlebte existentielle Bedrohung wirkt auch auf Entfernung und über Generationen. Zu realisieren, was wir Menschen einander antun, verstört.
Dr. Areej Zindler, Flüchtlingsambulanz für Kinder, Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf / PD Dr. Ulrich Lamparter, Psychoanalytiker, Autor von “Hamburg im Feuersturm“
Eine Veranstaltung der Vorlesungsreihe Anthropologische Psychiatrie aus der Serie
Welt in der Krise: eine Herausforderung für die Seele
Schwerpunkt ÄUSSERE BEDROHUNG – INNERE VERARBEITUNG
Die Bedeutung von “Krise“ hat sich geändert: Sie ist nicht mehr vorrangig subjektiv und individuell; sie kommt zunehmend von außen, Menschen-gemacht, und betrifft uns alle – mehr oder weniger. Wir müssen uns alle damit auseinandersetzen. Wir fühlen die reale Bedrohung dieser Welt durch Umweltzerstörung und Klima-Krise. Wir spüren, dass der Krieg näher rückt, denken an das unendliche Leid, das er für Zivilbevölkerung und Soldaten bringt. Wir verzweifeln an dem, was Menschen einander antun und wie wir alle zusammen unsere eigene Lebensgrundlage zerstören – in Krieg und Frieden. Wir fürchten die Entsolidarisierung und das Schwarz-Weiß-Denken in den Medien – oder wir vermeiden, das alles an uns heranzulassen, leben wie immer, fordern unbegrenzt Wachstum, Tempo und Aufrüstung. Was ist gesünder, was ist berechtigter? – Welcher Auftrag an die Politik ergibt sich, wenn wir die innere Welt, den inneren Frieden, ernst nehmen?